Digitale Transformation: Realistische Erwartungen beim Umstieg von Print zu App
Von der Druckauflage zur Download-Statistik: Warum der digitale Umstieg Geduld braucht

Als Sparringspartner und App-Entwickler begleite ich regelmäßig Unternehmen auf ihrem Weg in die Digitalisierung. Ein wiederkehrendes Muster, das ich dabei beobachte, ist die oft unrealistische Erwartungshaltung bei der Umstellung von analogen auf digitale Produkte. In diesem Beitrag möchte ich anhand eines Fallbeispiels aufzeigen, welche Herausforderungen dabei auftreten können und wie sich Unternehmen besser darauf vorbereiten können.
Von 12.000 Druckexemplaren zu mehr als 1.000 App-Downloads
Vor kurzem durfte ich ein spannendes Projekt für einen Branchenverband umsetzen. Dieser hatte seit Jahren ein gedrucktes Nachschlagewerk mit wichtigen Informationen für seine Mitglieder herausgegeben – regelmäßig in einer Auflage von beeindruckenden 12.000 Exemplaren. Im Zuge der Digitalisierung entschied sich der Verband, dieses Werk zusätzlich als mobile App anzubieten.
Nach der erfolgreichen Entwicklung und einem Jahr im Markt zeigte die Statistik rund 1.000 App-Downloads. Für eine branchenspezifische B2B-Anwendung durchaus ein respektables Ergebnis. Der Kunde hingegen war zunächst enttäuscht – die Zahlen lagen deutlich unter den erwarteten Werten, die sich an der Druckauflage orientierten.
Die "Druckauflagen-Falle"
Diese Diskrepanz zwischen gedruckter Auflage und digitaler Nutzung ist kein Einzelfall. Ich nenne dieses Phänomen die "Druckauflagen-Falle". Unternehmen setzen häufig ihre bestehenden analogen Metriken als Maßstab für den digitalen Erfolg an, ohne die fundamentalen Unterschiede zu berücksichtigen:
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Unklare Nutzungsstatistik bei Print: Bei der Druckauflage von 12.000 Exemplaren bleibt im Dunkeln, wie viele davon tatsächlich aktiv genutzt werden. Manche landen ungelesen im Regal, andere werden von mehreren Personen verwendet.
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Aktive vs. passive Verteilung: Gedruckte Materialien werden oft proaktiv verteilt, während App-Downloads eine aktive Handlung des Nutzers erfordern.
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Unterschiedliche Erfolgsmetriken: Downloads allein sagen wenig über die tatsächliche Nutzungsintensität aus. Eine App mit 1.000 aktiven Nutzern kann wertvoller sein als 10.000 gedruckte Exemplare, von denen viele ungenutzt bleiben.
Der digitale Umstieg braucht Zeit und Strategie
Die Erfahrung zeigt, dass die digitale Transformation ein mehrjähriger Prozess ist, kein einmaliges Ereignis. Hier einige wichtige Faktoren, die dabei zu beachten sind:
1. Realistischer Zeithorizont
Der Umstieg von analogen zu digitalen Angeboten benötigt in der Regel 2-3 Jahre, bis sich die Nutzungsgewohnheiten vollständig angepasst haben. In dieser Zeit ist eine parallele Bereitstellung beider Formate oft sinnvoll, begleitet von einer schrittweisen Reduzierung der Printauflage.
2. Vermarktung als Schlüsselfaktor
Eine der häufigsten Ursachen für enttäuschende Download-Zahlen ist mangelnde Vermarktung. Anders als bei automatisch verteilten Printprodukten müssen potenzielle Nutzer:
- Von der App erfahren: Durch gezielte Kommunikation über bestehende Kanäle
- Den Mehrwert erkennen: Welche Vorteile bietet die App gegenüber dem Printprodukt?
- Zur Installation motiviert werden: Durch klare Handlungsaufforderungen und niedrigschwellige Einstiegshilfen
3. Digitaler Mehrwert als Überzeugungsfaktor
Eine erfolgreiche App muss mehr bieten als nur die digitalisierte Version des Printprodukts. Potenzielle Mehrwerte sind:
- Aktualität: Zeitnahe Updates ohne Wartezeit auf Neuauflagen
- Suchfunktionen: Schnelles Finden relevanter Informationen
- Personalisierung: Individuelle Anpassungen an Nutzerbedürfnisse
- Interaktivität: Berechnungsfunktionen, Favoriten, Notizen
- Offline-Verfügbarkeit: Zugriff auf Informationen auch ohne Internetverbindung
Erfolgsbeispiel: Von 1.000 zu 5.000 Downloads in 18 Monaten
In einem vergleichbaren Projekt konnten wir die Download-Zahlen einer Branchenapp durch folgende Maßnahmen von anfänglich 1.000 auf über 5.000 in eineinhalb Jahren steigern:
- Integration in bestehende Kommunikation: QR-Codes im Printprodukt, regelmäßige Hinweise im Newsletter
- Schulungsangebote: Kurze Webinare zur effektiven App-Nutzung
- Kontinuierliche Verbesserung: Regelmäßige Updates basierend auf Nutzerfeedback
- Exklusive Funktionen: Bestimmte Inhalte wurden nur in der App verfügbar gemacht
- Messbare Ziele: Statt vager Erwartungen wurden konkrete, erreichbare KPIs definiert
Fazit: Realistische Erwartungen als Grundlage für Erfolg
Die Digitalisierung bestehender Produkte und Dienstleistungen bietet enorme Chancen, erfordert aber angepasste Erwartungen und strategisches Vorgehen. Statt Print-Metriken unreflektiert auf digitale Angebote zu übertragen, sollten Unternehmen:
- Realistische Adoption Curves erstellen: Wie schnell kann die Zielgruppe tatsächlich umsteigen?
- Mehrwert klar kommunizieren: Warum lohnt sich der Download?
- In Vermarktung investieren: Digital bedeutet nicht "verbreitet sich von selbst"
- Geduld haben: Digitale Transformation ist ein Marathon, kein Sprint
Mit diesem Mindset wird der Umstieg von Print zu Digital nicht zur Enttäuschung, sondern zum strategischen Erfolg – selbst wenn die anfänglichen Zahlen hinter den ersten Erwartungen zurückbleiben.
Hinweis: Möchtest du wissen, wie du dein Printprodukt erfolgreich digitalisieren kannst? Ich berate dich gerne zu deinem individuellen Digitalisierungsprojekt. Kontakt aufnehmen
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